Wie funktioniert Schall-Lokalisation?
Bevor ich mich konkreten Anwendungen und Experimenten zu binauralen Elementen in der Musik widme, will ich noch die Theorie zur Schall-Lokalisierung anschneiden. Zusammen mit meinen bisherigen Hörproben sollte dies mein Verständnis von dreidimensionalem Audio festigen.
Aus den verschiedenen Quellen, die unten angegeben sind, werde ich die wichtigsten Eigenschaften zusammenfassen, mit denen das menschliche Gehör Schall räumlich zuweisen kann. Diese sind grob in richtungs- und entfernungsbasierte Merkmale aufgeteilt.
Richtung
Um die Richtung einer Schallquelle zu erkennen, kann unser Gehör neben interauralen Zeit- und Schalldruckunterschieden auch spezielle Klangfärbungen erfassen, die durch kopfbezogenen Übertragungsfunktionen (HRTF oder Ohrsignale) entstehen. Im Folgenden werde ich diese Effekte ausführlicher erklären.
Interaurale Phasen- oder Zeitdifferenzen
Damit sind die Zeitunterschiede gemeint, wenn Schallwellen nicht gleichzeitig auf unsere beiden Ohren treffen. Dies tritt auf, wenn die Quelle nicht in der Medianebene liegt.
Besonders gilt dies für Frequenzen bis 1500 Hz.
Interaurale Schalldruckpegeldifferenzen
Unser Kopf bildet ein Hindernis zwischen seitlich ausgerichteten Schallquellen und dem jeweils äußeren Ohr. Tiefere Frequenzen können sich zwar um unseren Kopf beugen, höhere allerdings nicht. Dadurch entstehen Schalldruckunterschiede zwischen unseren beiden Ohren, die wir wahrnehmen können und der uns bei der Lokalisation hilft.
Besonders gilt dies für Frequenzen ab 1500 Hz.
Richtungsbestimmende Bänder bzw. blauertsche Bänder
"Nach Jens Blauert, "Räumliches Hören" werden hervorgehobene Frequenzbereiche beim natürlichen Richtungshören in der Medianebene (Sagittalebene) bestimmten Median-Richtungen vorn, oben und hinten zugeordnet (Blauertsche Bänder). Dabei ist zu erkennen, dass mit größter Häufigkeit (90%) das Band um 1000 Hz mit "hinten" lokalisiert wird. Beim natürlichen Hören ist im Frequenzbereich von 800 Hz bis 1600 Hz auch in anderen Ebenen eine Richtungslokalisation allgemein recht schwierig (diffus). Bei Unsicherheit in der Richtungsbestimmung wird von der Testperson typischerweise überwiegend hinten bzw. "diffus" angegeben." Die Richtungswahrnehmung nicht nur in der Medianebene, sengpielaudio.com
Durch das Experiment hat man herausgefunden, dass wir gewisse Frequenzbereiche mit verschiedenen Richtungen in der Medianebene assoziieren. So wie ich es verstanden habe, lernen wir mit der Zeit, diese Klangfärbungen mit Richtungen relativ zu unserer Kopfposition zu verknüpfen, was uns die Richtungslokalistation von Schall in dieser Ebene ermöglicht.
Entfernung
Mit den bereits besprochenen Effekten kann unser Gehirn die Richtung von Schallquellen bestimmen. Die Entfernung lässt sich allerdings auch erkennen:
Lautstärke
Der Schalldruck fällt exponentiell mit der Entfernung ab. Daher sind nahe Quellen lauter als ferne.
Klangfarbe
Nahe Quellen haben durch den Nahbesprechungseffekt mehr Tiefenanteile. Durch stärkeren Abfall höherer Frequenzen durch den Luftwiderstand haben nahe Quellen zudem mehr Höhenanteile.
Predelay
Die Verzögerung und der Pegel der ersten großen Reflexion deuten auch auf die Entfernung hin. Mit längerer und leiserer Verzögerung klingen Schallquellen näher, mit kurzen lauten hingegen ferner.
Hall
Je höher der Hallanteil, desto ferner klingen Schallquellen.
(Doppler Effekt)
Die Veränderung der Entfernung lässt sich gewissermaßen auch durch den Dopplereffekt erkennen (Annäherung erhöht die Frequenz, Entfernen verringert sie).
Literatur
Jens Blauert: Räumliches Hören. Hirzel, Stuttgart 1974
Jens Blauert: Spatial Hearing. The Psychophysics of Human Sound Localization. Revised edition. The MIT Press, Cambridge MA u. a. 1997
Lokalisation und Ortung – gibt es einen Unterschied?, sengpielaudio.com
Die Duplex-Theorie von Lord Rayleigh, sengpielaudio.com
Die Richtungswahrnehmung nicht nur in der Medianebene, sengpielaudio.com
"Richtungsbestimmende Bänder" und "Kurven gleicher Lautstärke", sengpielaudio.com