Dreidimensionale zeitgenössische Musik
Das Konzert Fluid Mechanics von Benjamin de la Fuente und Samuel SighIcelli thematisiert die Stadt in all ihren Ebenen und Fascetten nach der textlichen Interpretation des Schriftstellers Julien Gracq.
Die Zirkulationen durch die verschiedensten Schichten der Stadt werden in einem neuzeitlichen experimentellen Kontext in diesem Stück interpretiert. Parallel dazu wurde die Komposition in verschiedene Ebenen aufgeteilt: performative Musik für klassische akustische Instrumente (Flöte, Klarinette und Streichquartett), ein direkterer Part mit E-Gitarre, Keyboards, Bass und Schlagzeug, extrem präzise und ziselierte elektronische Musik und eine Sound Design Ebene mit Atmosphären und Field Recordings.
Diese vier Facetten stehen in starkem Kontrast zueinander und sollen die Vielfältigkeit der Stadt repräsentieren. Dabei wurde das Stück für 3-D Sound abgemischt und kann mit einer 5.1 Anlage oder binaural bearbeitet mit Kopfhörern abgespielt werden.
Analyse des binauralen Effekts
Das knapp 80-minütige Konzert beginnt wie in den alten Stereobeispielplatten aus den 50ern mit den Sounds eines vorbeifahrenden Zuges.
Aufstellung
Die Instrumente sind auditiv näher vor der Hörposition ein einem Halbkreis aufgestellt und bilden ihre echten Positionen im virtuellen dreidimensionalen Raum ab. Durch das binaurale Processing wird man nicht von ganz links oder rechts sitzenden Spieler:innen überfordert, sondern man bekommt einen sehr angenehmen räumlichen Eindruck der Aufstellung. In vereinzelten Sektionen werden beim Schlagzeug einzelne Drums um die Hörposition geschwenkt.
Zwischen den stark akzentuierten Parts des Orchesters, welche die Grenzen zwischen Disharmonie und komplexer Akkordstrukturen kratzen, bewegt sich ein Synthesizer kreisförmig im Raum, eher weiter von der Hörposition entfernt. Andere Elemente brechen auch die fixierte Aufteilung der Liveinstrumente.
Beschreibung der binauralen Sounds
Hohe Töne der Streicher und Blasinstrumente geben eine mystische Stimmung, die von verschiedensten Bahnhofatmosphären und einem schwebenden Bass-Synthesizer durchdrungen wird. Der fast schon dystopische Sound wird durch alternative Spieltechniken der Live-Instrumente unterstützt: extrem sanftes Zupfen, sanftes Klopfen des Gitarrenstegs und vorsichtiges Überblasen, sodass fast nur Wind mit einem Hauch einer Note zu erkennen ist.
Zeitverzerrungen spielen eine große Rolle. Einzelne Instrumente und Passagen hallen teilweise rückwärts mit (Grain-)Delays um die Hörposition aus.
Das Stück endet mit einer Xylofonsektion, die sich mit räumlich versetzen Delays um die Hörposition hüllt.
Frequenzbereich
Es werden eher höher Klänge im Raum bewegt, jedoch auch einzelne tiefere Synthesiser.
Zeitliche Länge und Häufigkeit
Die Hauptinstrumentation spielt tendenziell auf ihren fixen Plätzen und wird gelegentlich von räumlichen Artefakten verschiedenster Elemente durchdrungen.
Bewegungen
Die Live-Instrumente haben eine eher fixierte Position im Mix. Das gibt den verschiedensten Synthesizern Platz, sich frei im Raum zu bewegen. Unterschiedliche Soundsnippets kommen aus allen möglichen Richtungen. Einzelne Sounds werden dabei immer wieder von derselben Position wiederholt.
Verwendete Technik
Die angewandte Technik der binauralen Aufbereitung wurde im Artikel zwar nicht direkt beschrieben, allerdings scheint Software vom Ircam Institute in Paris, wo das Stück vorgeführt worden ist, verwendet worden zu sein.
Grund der Verwendung
Wie die unterschiedlichen Elemente die verschiedenen Ebenen der Stadt symbolisieren sollen, spiegelt sich dieses Facettenreichtum auch in der räumlichen Platzierung wieder. Außerdem ging es um eine überzeugende und poetische Wirkung des Materials, das mit der Technik verwirklich wurde.
Artikel
HYPERRADIO radiofrance: FLUID MECHANICS by Benjamin de la Fuente and Samuel SighIcelli